Wahlkampf in der Corona-Krise – Mitgliederwerbung mitdenken!
Nur ein Viertel der Deutschen hält politisches Engagement für sinnlos – drei Viertel sehen in politischer Beteiligung also ein nützliches Vehikel, um die eigenen Anliegen zu vermitteln und zu lösen (Petersen et al., 2013, S. 19). Noch 2008 hielten ca. 12 Prozent der Bevölkerung es für sinnvoll, ihre politischen Belange über die Mitarbeit in einer Partei zu lösen – 2018 waren es bereits 19,2 Prozent, also jeder Fünfte! Niemand kann jetzt noch sagen, es gebe so etwas wie eine grassierende Parteienverdrossenheit.
Was aber zeichnet all jene aus, die potentiell bereit wären, in einer politischen Partei aktiv zu sein? Sie sind im Durschnitt:
- jünger
- männlicher
- gebildeter
- einkommensstärker
- politisch interessierter
als diejenigen Menschen, die in einer politischen Partei nicht aktiv werden wollen. Zudem fühlen sie sich politisch wirksamer, glauben also, dass sie in einer politischen Gruppe aktiv werden und politisch Gehör finden können. Für kleinere Parteien übersteigt der Wert der Aktivitätsbereiten teilweise gar die 30-Prozent-Marke (FDP und Grüne), doch auch für die ‚Volksparteien‘ SPD und CDU ist die Lage alles andere als hoffnungslos (Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der ALLBUS 2018-Daten).
Menschen treten Parteien vor allem daher bei, weil sie gemeinsam in einer Gruppe etwas erreichen wollen oder weil sie die Demokratie stärken wollen (Laux, 2011, S. 65). Sie treten ihr auch bei, wenn sie entsprechende Ressourcen haben und motiviert sind – ein demokratietheoretisches Problem, finden doch so tendenziell eher die ohnehin ‚Starken‘ den Weg in die Parteien und gestalten dort Politik.
Doch, und das macht Parteien und die Mitgliedschaft in ihr so besonders: Parteien schaffen es, Unterschiede hinsichtlich der Sozialstruktur ihrer Mitglieder auszugleichen, in ihnen können alle Mitglieder gleichermaßen teilhaben, etwas, das bei anderen Partizipationsformen so nicht der Fall ist (Biehl, 2014, S. 116). Zugleich gilt es aber, Menschen den wichtigen letzten Schritt zu einer Parteimitgliedschaft zu ebnen, ohne den eine Aktivitätsbereitschaft auch lediglich nur eine Intention bleibt. Dieser letzte Schritt besteht im Setzen eines Triggers, der direkten Ansprache (Jakobs, 2020).
Dazu gilt es, weg von der „gelackte[n] Hochglanzsprache“ (Alemann, 2012, S. 44) zu kommen und die direkte Ansprache der Bürger und Bürgerinnen vor allem im Wahlkampf zu suchen! Gerade hier, so zeigen bereits ältere Untersuchungen, sind Wähler und Wählerinnen sensibler für politische Themen (Toman-Banke, 1996, S. 377). Mitgliederwerbung sollte also stets mitgedacht werden – das Reservoir ist da!
Wenn Sie mehr erfahren wollen, sich selbst mit Ihrer Partei strategisch aufstellen wollen – oder auch nur ein WebLiveSeminar zum Thema wünschen –, schreiben Sie gerne eine Mail oder rufen Sie uns an!
Autor: Simon Jakobs, Leiter der interPartner Akademie. In seiner täglichen Arbeit begleitet er Betriebsräte und bildet Ehrenamtliche aus und weiter. Seine Dissertation zur Mitgliederwerbung der SPD und CDU im Vergleich erscheint Open Access im Herbst im Verlag Barbara Budrich. Sie erreichen Simon Jakobs unter 0201–2487851 oder unter simon.jakobs@interPartner.com.
Zitierte Literatur:
Alemann, Ulrich von (2012): Neue Bürgergesellschaft, alte Parteien? Zur Notwendigkeit einer partizipativen Parteireform. In: Daniel Dettling (Hrsg.): Parteien in der Bürgergesellschaft. Zum Verhältnis von Macht und Beteiligung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 43–48.
Biehl, Heiko (2014): Nur noch Sprachrohr von Gewinnern? Repräsentation sozial schwacher Bevölkerungsgruppen durch politische Parteien. In: Markus Linden und Winfried Thaa (Hrsg.): Ungleichheit und politische Repräsentation. Baden-Baden: Nomos. S. 107–124.
Jakobs, Simon (2020): Die Neumitgliederwerbung von SPD und CDU im Vergleich. Strategielose Mitgliederpartei oder überfordertes Ehrenamt? Opladen u.a.: Barbara Budrich. Im Erscheinen.
Laux, Annika (2011): Was motiviert Parteimitglieder zum Beitritt? In: Tim Spier et al. (Hrsg.): Parteimitglieder in Deutschland. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 61–78.
Petersen, Thomas; Hierlemann, Dominik; Vehrkamp, Robert B.; Wratil, Christopher (2013): Gespaltene Demokratie. Politische Partizipation und Demokratiezufriedenheit vor der Bundestagswahl 2013. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.
Toman-Banke, Monika (1996): Die Wahlslogans der Bundestagswahlen 1949–1994. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.